25 Mrz Etwas ist auf dem Schiff
Liebe JANUS Gemeinde,
seit dem letzten Journaleintrag sind Monate vergangen. Monate in denen eine Menge passiert ist. Schöne Dinge, leider vor allem aber schreckliche. Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich an Neujahr zu Toby meinte, dass es nach dem in vielerlei Hinsicht durchwachsenen Jahr 2019 mal wieder an der Zeit wäre für ein echtes Knallerjahr und 2020, so war ich mir in meiner überaus optimistischen Unbedarftheit mehr als sicher, würde ein solches Jahr werden.
JANUS-technisch zumindest waren die Zeichen auf Sturm gestellt. Wir hatten für unsere Verhältnisse unglaubliche dreizehn Liveauftritte organisiert, einige mit voller Rockbesetzung, viele als Quartett und dazu noch eine Lesung. Seit 2018 arbeiteten wir an einem Koloss von einem Lied namens „Terror“, der ursprünglich für „All die Geister“ vorgesehen war, sich aber 2019 selbstständig machte und sogar um eine Graphic Novel erweitert wurde, die die Geschichte des Liedes weiterspann. Wir waren bester Dinge. 2020 konnte einfach nur großartig werden.
Oder?
Als die ersten Nachrichten aus China über das Corona-Virus in die Weltpresse drangen, reihten wir das Ganze gedanklich auf der Perlenkette mit Rinderwahnsinn, Schweinegrippe, SARS und Ebola ein. Beunruhigende Entwicklungen fürwahr, aber mit wenig mittelbaren Auswirkungen auf das träge Selbst.
Oder?
Zu beschäftigt waren wir mit der Vorbereitung der finalen Produktionsphase von „Terror“ in der zahlreiche Aufnahmen anberaumt waren. Als die Pandemie dann langsam näher kroch in die Monaten Februar und März und immer erkennbarer in Europa Wurzeln schlug, waren wir unterwegs in Studios, Kirchen und Festsälen, um Orchester, Chor, Band und vieles mehr aufzunehmen. Unternehmungen mit teilweise mehr als hundert beteiligten Personen, bei denen man sich in der Rückschau die bange Frage stellt, ob dies nicht bereits dazu beitrug, das Virus zirkulieren zu lassen. Ein unangenehmer Gedanke.
Auf der anderen Seite sind wir auch froh, alle Aufnahmen, an denen mehrere Personen beteiligt sind, im Kasten zu haben. Das einzige, das uns noch fehlt, sind ein paar Overdubs von mir und Sample-Spielereien von Toby. Würden wir beispielsweise das Orchester noch nicht aufgenommen haben, die Produktion von „Terror“ könnte gar nicht wie geplant 2020 zum Abschluss kommen, von einer Veröffentlichung ganz abgesehen. So aber haben wir eine faire Chance, da jeder digital vernetzt aber ganz allein für sich im Keller weiterschrauben und -arbeiten kann. Die HMS Terror also bleibt weiter auf Kurs. Auch wenn es schwerer fällt, Textzeilen wie „Etwas ist mit uns auf dem Schiff“ oder „Ihr seid längst tot wie wir!“ ohne Kloß im Hals einzusingen…
Der Ernst der Lage wurde uns zunächst durch die Arbeit an der begleitenden Graphic Novel immer deutlicher bewusst, denn Zeichnerin Helena Masellis lebt und arbeitet in Italien, mitten in der gebeutelten Krisenregion Lombardei in der Nähe von Mailand. In die Kommunikation über die sehr erfreulichen Fortschritte am Comic mischten sich immer mehr Details, die aufhorchen ließen. Formulare zum Verlassen der Wohnung, Sirenen bei Tag und Nacht, Quarantäne, nächtliche Militärtransporte, Ausgangssperren und Angst. Die Konzentration fällt in so einer Situation und Umgebung verständlicherweise zunehmend schwerer.
In Riesenschritten schließlich naht auch für uns in Deutschland nun die zunächst surreal anmutende Bedrohung; der unsichtbare Feind und vertreibt unsere trügerische Sicherheit. Schon sind auch hier die ersten, an der Produktion von „Terror“ beteiligten Menschen zeitweise in Quarantäne oder an COVID 19 erkrankt. Die Einschläge kommen näher. Niemand weiß, was in den kommenden Wochen und Monaten noch auf uns zukommt, aber vieles spricht tatsächlich dafür, dass das was wir gerade erleben, die sogenannte „Ruhe vor dem Sturm“ sein könnte. Umso mehr gilt es, einen klaren Kopf zu bewahren und sich den Optimismus zu erhalten.
So haben wir bereits Vorkehrungen getroffen, euch in jedem Fall 2020 noch mit neuer Musik versorgen zu können, selbst wenn die Durchführung der Produktion schwierig werden sollte. Den JANUS SHOP haben wir, um uns mehr auf unsere Familien und die Musik selbst konzentrieren zu können, bis auf weiteres auf Eis gelegt. Ebenso haben wir die vier Termine im Mai/Juni bereits auf 2021 verlegt, so dass eure Karten ihre Gültigkeit behalten können. Für die Herbst-Termine hoffen wir das Beste, aber wir sind nicht so blauäugig uns hier allein auf günstige Bedingungen zu verlassen. Wir arbeiten bereits jetzt an Alternativen für 2021, sollten auch diese Termine am Ende nicht zu halten sein. Es wäre toll, wenn wir alle hiernach sagen könnten, dass wir den längeren Atem hatten und die Musik gegen Corona obsiegt hat.
Bis dahin bleibt uns nur Euch gute Gesundheit und alles Glück für die kommende, schwere Zeit zu wünschen!
Haltet die Ohren steif!
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