13 Sep Ist Vater autobiographisch?
RIG: Es geht beim Konzept von Vater um die Illusion von Allmacht. Unsere eigenen Väter standen bei der Namensgebung nicht Pate, obwohl der fiese Kerl vorne auf dem CD tatsächlich der Dad unseres Coverkünstlers Oli ist. Für jeden kommt irgendwann der schmerzliche Augenblick, in dem er erkennen muss, dass Väter nicht die unbezwingbaren Helden der Kindheit sind, denen die gesamte Welt zu Füßen liegt. Für Jean Weiss war diese Erkenntnis in unerträglicher Weise brutal und bitter, da er den Nazis bei der Hinrichtung seines eigenen Vaters helfen musste; nicht viel besser traf es Lovecraft, dessen Vater, und später auch die Mutter, in fortgeschrittenem Wahnsinn verschieden. Von diesem Augenblick an, in dem die Väter vor den Augen ihrer Kinder zu sterblichen, verletzlichen Wesen werden, sind beide plötzlich gezwungen, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen. Davon handelt Vater .
RIG: Der Begriff Vater symbolisiert ja eigentlich Autorität, Orientierung, eine starke Hand etc. Unser Vater zeigt die andere Seite der Medaille: Fehlschläge, Verrat, Wut, Missbrauch und Hilflosigkeit. Vom bedingungslosen Gehorsam Abrahams (Isaak), über die verkorkste Kindheit Lovecrafts (Der Flüsterer im Dunkeln) und die Trauer Mahlers über den Tod seiner kleinen Tochter (Saitenspiel), hin zu purem Wahnsinn (Die Ballade von Jean Weiss) erzählen wir Geschichten, bei denen die heile Welt ins Stolpern gerät und den Blick auf die wahre Natur des Menschen freigibt: Seine Vergänglichkeit.
RIG: Für uns verkörpert das Wort Vater eine perfekte Metapher für zwei Phänomene: die Illusion von Allmacht und den Glauben an einen sich sorgenden Gott. Traditionell steht der Begriff Vater ja für Macht und Sicherheit. Ein Patriarch, der die Geschicke seiner Schutzbefohlenen lenkt, Entscheidungen trifft, belohnt und bestraft. Unser Vater hat damit nur indirekt zu tun. Es geht JANUS nicht darum diese tradierten Vorstellungen zu glorifizieren, im Gegenteil, unser Vater soll sie als vergänglichen Traum entlarven, als wackliges Hilfskonstrukt. Bereits im Opener der CD, Isaak, ist Abraham bereit, sein eigen Fleisch und Blut wegen einer fiebrigen Vision zu opfern; beim traurigen Saitenspiel lässt der Tod des Kindes beim Vater Ohnmacht und Verzweiflung aus und in Der Flüsterer im Dunkeln folgt der noch junge Lovecraft seinem Vater in den Wahnsinn. Auch der Rest der Lieder hat zumeist Variationen über dieses Thema zum Inhalt.
RIG: Die Allmacht der (Gott-)Väter entpuppt sich als große Illusion: Sie werden älter, schwächer, bekommen Falten und graue Haare. Von dem Moment an, an dem sich unsere Väter vor unseren Augen zu verletzlichen, normal sterblichen Wesen wandeln, sind wir gezwungen, uns auch mit der eigenen Endlichkeit zu beschäftigen, mit der Allgegenwärtigkeit des Todes. Davon handelt, grob gesagt, das Konzept hinter Vater.
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