Live Review – Frankfurt 2002 – Winterreise

23 Mrz Live Review – Frankfurt 2002 – Winterreise

PERSEPHONE und JANUS luden ein: Bei ihrer gemeinsamen kurzen Akustiktour Winterreise präsentierten Sonja Kraushofer (aka PERSEPHONE) und JANUS ihre Musik im Gewand eines Liederabends. Wer bei Winterreise an Franz Schubert und bei Liederabend an Frack und Kerzenschein denkt, liegt gar nicht mal so falsch. Schließlich hatten sich die Musiker Rahmen ausgesucht, die alle Voraussetzungen für einen intimen Abend erfüllten: Stimmungsvolle alte Gemäuer, bestuhlte Konzertsäle, warmes Licht und in Frankfurt auch ganz schön warme Luft. Die verdankte man den Luftbefeuchtern, die es den empfindlichen Ikonen an den Wänden heimelig machen. Doch auch ohne Klimatechnik muss es manchen Besuchern der Winterreise eng am Kragen geworden sein, sorgten doch die kammermusikalisch aufgeführten Stücke beider Acts für maximale Nähe und Intensität.

Von seinen atmosphärischen Schwankungen einmal abgesehen, bot das Ikonenmuseum, in der ehemaligen Komturei des Deutschordens beheimatet, eine schöne Kulisse für die unverstärkt gespielten Stücke aus dem JANUS- bzw. PERSEPHONE-Repertoire. JANUS erweiterten die Bühne in den Zuschauerraum hinein: Für das aus Sänger RIG, Pianist Tobias Hahn, Cellist Martin Höfert sowie Natalie Eis (Kontra-bass), Milena Bartsch (Viola), Dominik Heide (Violine) und Schlagwerker Lothar Weise bestehende Ensemble war einfach kein Platz mehr auf dem Holzpodest.

Als Kammerorchester extraordinaire machten sie schon während der Ouvertüre (einem Arrangement aus den JANUS-Stücken Der Flüsterer im Dunkeln, Das Fest und Isaak) klar, dass akustisch keineswegs ruhig bedeutet. Der dramatische Wechsel zwischen lindem Glockenspiel, Streichern la Balanescu Quartet und Trommel führte RIG als Bösewicht ein, wie er im Buche steht: Dezent in schwarz gekleidet, dräute er mysteriös über dem Publikum und schwang in das unheilvolle Lolita.

Nach diesem obsessiven Auftakt erklang mit Du siehst aus wie immer ein Stück aus dem bevorstehenden dritten JANUS-Album und legte ein kühles weißes Laken über die atemlosen Zuhörer. Wie pointiert und treibend Kontrabass und Cello sein können, merkte man dann bei Kafka, einem Lied, dessen schräger Humor durch die Instrumentierung noch unterstrichen wurde. Mit Nellie, einem weiteren neuen Stück, setzten JANUS den Überraschungen des Abends die Krone auf: Diese Geschichte einer verpfuschten Existenz kam beinah dinnerjazzig daher, gespielt von bedrückten Musikern in der Bar der einsamen Herzen.

Der Wechsel frischen Materials mit umarrangierten JANUS-Favoriten hielt das Publikum gebannt auf der Sitzkante. RIG, Tobias und ihre Mitmusiker verwandelten dabei sogar Titel der Smashing Pumpkins (Disarm), von Rammstein (Seemann) und Heinz Rudolf Kunze (Kadaverstern) in Ureigenstes. (Disarm und das Leonard Cohen-Cover Halleluja befinden sich übrigens auch auf der exklusiv zur Tour erschienenen EP Winterreise, eingespielt in fast identischer Besetzung.) Zum großen Finale baten JANUS nach vierzehn Stücken die in etwas bequemeres geschlüpfte PERSEPHONE, mit der sie noch einmal drei Lieder zum besten gaben, darunter Plainsong von The Cure.

JANUS steht die Kammermusik gut zu Gesicht und beweist: Nur wenn man es versteht, miteinander leise zu sein, kann man auch ordentlich laut werden. Schubert wäre stolz auf sie gewesen.

Melanie Aschenbrenner für Okrus

Tags:
Keine Kommentare

Die Kommentarfunktion ist derzeit deaktiviert.