13 Sep Rezension – Winterreise EP – Holterdipolter
JANUS sind seit einigen Jahren die Gothic-Ausnahmeerscheinung auf dem deutschsprachigen Musikmarkt. Schon ihr Debütalbum „Vater“ überzeugte durch wahrhaft durchdachte, geschickte Dichtung, morbide Geschichten und musikalische Vielfalt, die die Band auf dem Nachfolgeralbum „Schlafende Hunde“ tatsächlich noch zu verfeinern verstand.
Was JANUS ausmacht, ist der rote Faden, der sich durch die Geschichten dieser beiden Alben zieht und sich nie verliert. Seien es nun seltsame und schreckliche Familienszenen aus verschiedenen Epochen der Weltgeschichte oder die bis ins kleinste Detail durchdachte Dreiecksbeziehung zwischen zwei Brüdern und ihrer fatalen Liebschaft. Selbst die zwischenzeitlich erschienene „Hundstage EP“ passt voll und ganz ins Story-Schema.
Mit ihrer aktuellen Mini-CD gestalten JANUS diesen roten Faden anders. Nicht die „Winterreise“-Geschichten an sich hängen zusammen, hier ist es die Stimmung, die durch alle fünf Songs hindurch präsent ist und den Hörer zu faszinieren versteht. Die Winterreise-CD ist quasi ein „Kind“ der gleichnamigen JANUS-Akustik-Tour.
Anfang 2002 lud man zu „klassischen Liederabenden“ auf Schlössern, Burgen und in einem Museum. So spielte die Band um ihren schöpferischen Kopf RIG und Chef-Komponisten Tobias Hahn ihre eigenen (sonst eher elektronisch-metallischen) Stücke und diverse Cover-Songs in einem für JANUS vollkommen neuen Kammermusik-Stil mit Hilfe von Piano, Violine, Viola, Cello, Kontrabass und Perkussion.
„Winterreise“ ist jedoch keine Live-CD, sondern eine akustische Studio-Produktion, die eine für JANUS ungeahnt warme Atmosphäre mit sich bringt. Ausgewählt wurden fünf ruhige, bedächtige Stücke, darunter zwei neue JANUS-Kompositionen („Was uns zerbricht“ und „Das Gesicht“), eine Akustikversion der tragischen Vater-Tochter-Beziehung „Lolita“ und zwei interessante Cover-Versionen. Und diese sind ein ganz besonderer Leckerbissen!
Coversong Nr. 1 ist „Disarm“ von den Smashing Pumpkins. Nun fragt sich der JANUS-Kenner: Wie bitte? JANUS covern englischsprachige Songs? Falsch! Denn Sänger RIG hat den Text komplett ins Deutsche übertragen. Nun mag man denken: Oha! Das kann doch nicht gut gehen. Kann es doch! RIGs Übersetzung funktioniert, ohne dabei die Reimstruktur oder Seele des Liedes zu zerstören. Auf der „Winterreise“ heisst der Song „Der Mörder in mir“, wartet mit schönem Glockenspiel und herrlichen Cello-Arrangements auf.
Das gleiche Übersetzungsverfahren wandten JANUS bei Cohens Song „Halleluja“ an. Ein sehr bekanntes Lied, das man sich auf einer JANUS-CD schwer vorstellen kann. Ein gelungener Abschluss. JANUS schaffen es also mal wieder, scheinbar mühelos den typischen roten Faden einzubauen. Diesmal auf die atmosphärische Art und Weise.
JANUS-Fans werden begeistert sein. Wer die Band gern kennen lernen möchte, dem sei empfohlen, parallel einmal in die beiden Full-Time-CDs „Vater“ und „Schlafende Hunde“ hineinzuhören. Die sind stilistisch ganz anders, aber nicht zuletzt wegen der Aufmachung und brillianten Textzusammenhänge ein Hör- und Lese-Erlebnis!
Nico
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