INTERVIEW: „Am Ende blieb uns keine andere Wahl!“

08 Jan INTERVIEW: „Am Ende blieb uns keine andere Wahl!“

Es gibt Tage, da verflucht man, überhaupt aufgestanden zu sein. Seit 2020 haben sie deutlich zugenommen. Aber dass just der Tag, an dem Toby und RIG Haus-und-Hof-Chronistin Diana Busch zum Interview baten, da sie „etwas zu erzählen“ hätten, dazugehört, hätte sie im Traum nicht gedacht. Statt eines euphorisch plaudernden Duos traf sie auf zwei mehr als nur geknickt dreinblickende Gestalten.

Okay, so wie Ihr aussieht, wird das hier kein erfreuliches Gespräch. Was ist denn los bei JANUS?

Toby: Wir sagen unsere Rockgigs ab.

Du meinst, nochmal verschieben?

RIG: Nein. Wir meinen endgültig absagen, streichen.

Krass. Wieso das denn?

Toby: Wir haben dieses Thema jetzt wochenlang zu zweit und auch mit unseren Musikern und den Vermietern der Clubs diskutiert. Eigentlich schon seit Ende 2021. Es war keine leichte Entscheidung, denn wir geben ungern auf. Am Anfang der Coronakrise haben wir ja auch noch ab und an ein wenig gescherzt: mal sehen, wer länger durchhält, die Pandemie oder wir! Tja, die Antwort wissen wir jetzt. Am Ende blieb uns keine andere Wahl!

RIG: Wir waren auch ein wenig naiv damals. Es war immerhin unsere erste Pandemie, das muss man uns zugute halten. Es fehlte schlicht an Erfahrung. Wir haben die gesamte Tour bestehend aus dreizehn Veranstaltungen mit Rockgigs, bestuhlten Konzerten und einer Lesung jetzt bereits dreimal komplett durchgeplant. Das ist eine Menge Arbeit. Und es kostet uns auch jedes Mal Geld. Eine vierte Verschiebung hätten wir finanziell nicht wagen können. Und einfach abzuwarten, das hat die Vergangenheit gezeigt, wäre russisches Roulette gewesen, insbesondere bei den Rockkonzerten. Daher haben wir auch die jetzt schweren Herzens abgesagt.

Toby: Du weißt ja, dass wir alle Auftritte nicht nur als Band komplett selbst organisieren, sondern auch als Veranstalter. Wir tragen also das komplette Risiko. Es ist wie eine zunehmend waghalsige Wette, bei der unser Einsatz mit jeder Verschiebung verdoppelt wird. Und dieses Risiko wurde jetzt bei den Rockkonzerten zu groß. Ich kümmere mich z.B. vorrangig um die Proben, die Arrangements, die Band und die Veranstaltungstechnik, während RIG die ganze Kommunikation übernimmt und die Clubs mietet, die Veranstaltungen plant und organisiert oder die Karten verschickt. Und dann sind da noch die Terminabsprachen mit den Venues und den Musikern der Liveband. Überraschungsgäste hatten wir auch organisiert. Dazu noch diverse Boni wie einen Drink mit den Besuchern auf speziellen Aftershow-Events und die Organisation des Merchandise. All diese Dinge müssen jedes Mal korrigiert, neu geplant und angegangen werden. Dabei fallen auch jedes Mal neue Kosten an, etwa Stornogebühren bei Verschiebungen oder Probengagen. Und gerade die Proben kann man bei Rockgigs nicht einfach mal so kurzfristig ansetzen. Die müssen von langer Hand geplant und durchgeführt werden.

Das klingt nicht nur sehr kostspielig sondern auch sehr aufwändig. Spielt auch Erschöpfung eine Rolle bei der Absage?

RIG: Erschöpfung ist da, große Erschöpfung. Diese Tournee und ihre ewigen Verschiebungen sind wie ein Damoklesschwert, das ständig über unseren Köpfen baumelt. Es zehrt einen aus. Aber bei der Absage der Rockauftritte hat dieser bedauerliche Umstand den kleinsten Einfluss gehabt. Wir wissen, wie sehr sich die JANUS-Hörerschaft auf diese Auftritte, insbesondere die im Club, gefreut hat und hätten sie auch mit völliger Erschöpfung durchgeführt. Auch wenn uns das, da bin ich ehrlich, vermutlich weniger Freude bereitet hätte. Die jetzige Absage aber ist leider den Erfahrungswerten der letzten zwei Jahre zuzuschreiben und wurde vom Kopf, nicht vom Bauch getroffen.

Toby: Als wir 2019 bereits viele Auftritte ganz oder fast ausverkauft hatten, dachten wir, das große Los gezogen zu haben. Aber die Pandemie hat diesen Vorteil in einen Nachteil verkehrt. Corona bringt immer neue Überraschungen, es ist ein sehr dynamisches Geschehen, das gerade mit den Varianten kaum verlässliche Vorhersagen ermöglicht. Diese Lage trifft jetzt auf eine ermüdete, genervte Gesellschaft, die immer aggressiver wird, leider. Die politischen Vorgaben sind ebenfalls sehr unbeständig und eher als „reaktiv“ zu beschreiben. Hinzu kommen die sehr unterschiedlichen Vorgaben an Veranstaltungen auf Ebene der Bundesländer und Gemeinden, die monatlich wechseln können. Wir haben bisher auch immer auf eine Beruhigung der Situation gehofft, so dass wir die ausverkauften Konzerte ohne Einschränkungen  gefahrlos durchführen können, aber diese Situation zur Zeit nicht realistisch vorherzusagen. Und alles neu zu organisieren mit alternativen Spielstätten oder mehreren Konzerten am selben Ort, ist uns einfach nicht möglich. Daher müssen wir jetzt für die Clubgigs die Reißleine ziehen. Es könnte sonst wirklich noch sehr bedrohlich für uns werden, wenn wir uns weiterhin stur stellen. Für die Akustikauftritte mit dem Quartett hingegen gibt es Hoffnung. Die können wir auch viel kurzfristiger vorbereiten und umsetzen. Aber sicher sind die natürlich auch nicht aktuell.

Ich würde gerne nochmal einen Schritt zurück gehen. Was genau meintest du mit „bedrohlich“ eben?

Toby: Eben, dass wir die Wette auf eine Besserung der Lage verlieren werden. Und der Wetteinsatz an Zeit, Nerven und Geld letztlich zu hoch ausfällt. Das kann am Ende nicht nur einzelne Projekte, an den wir bereits arbeiten, gefährden, sondern auch den Fortbestand der Band als solches. Und das wäre ein zu großes Faustpfand.

RIG: Vergiss nicht, dass wir auch selbst veranstalten. Das heißt, nicht eine Booking-Agentur zahlt am Ende die aufgestauten Organisationskosten und die Rückerstattungen der Tickets sondern wir selbst. JANUS. Im Normalfall erhöht das unseren Handlungsspielraum, da wir alles so organisieren können, wie es uns gefällt und alle Einnahmen JANUS direkt zu Gute kommen ohne dass ein Label oder eine Booking-Agentur den Löwenanteil einkassieren. Aber in der aktuellen Situation ist das ein großer Nachteil. Und der könnte uns im schlimmsten Fall teuer zu stehen kommen. Daher die Absage der Rockkonzerte.

Stimmt. Die Karten müsst ihr dann ja auch den Leuten auf Wunsch zurückerstatten. Ich könnte mir aber schon vorstellen, dass der ein oder die andere in Anbetracht der Lage darauf verzichten würde. 

RIG: Das ist schon möglich, aber darauf dürfen wir ja nicht bauen, selbst wenn wir es natürlich hoffen. Wir müssen in diesem Fall als Veranstalter, der wir sind, vom schlimmsten Fall ausgehen, das wäre eine komplette Rückerstattung aller Tickets.

Toby: Wir haben uns da auch schon was überlegt. Wir sind ja nicht die erste Band, die ihre Auftritte absagen muss. Bei uns ist eben der Sonderfall, dass es uns als Band und Veranstalter in Personalunion doppelt hart trifft. Daher wollen wir uns allen erkenntlich zeigen, die auf die Rückerstattung der Karten verzichten und uns so unterstützen. RIG hat da schon was ausgetüftelt.

RIG: Die Not macht erfinderisch. Tatsächlich werden wir allen Menschen, die auf eine Rückerstattung verzichten, eine exklusive MCD im übergroßen Vinyl-Single-Format und zwei handsignierte Fotokarten zukommen lassen. Die MCD heißt „Seemannslieder“ und hat eine Spielzeit von mehr als 20 Minuten. Auf ihr befinden sich zwei Coverversionen, zum einen das von YouTube bekannte „Die Rache des Seemanns“ mit Nick Frost als Gastsängerin und zum anderen „Die Ballade vom alten Seemann“ mit Urgestein Martin Höfert an den Celli. Beide Stücke hätten wir auf der Tour gespielt. Und wenn man mehr als zwei Karten bestellt hatte, dann bekommt man beim nächsten Auftritt, den man besucht, auf Wunsch für jede verfallene Karte noch einen Platz an der Sonne, das heißt reserviert in der ersten Reihe. Wir wollen einfach den Leuten, die diesen Schritt für uns gehen, unsere Dankbarkeit erweisen.

Ihr habt Euch anscheinend richtig Gedanken gemacht. Das würde ich auch unterstützen!

Toby: Als hättest Du eine Karte gekauft. Du stehst doch eh auf der Gästeliste. [lacht]

RIG: Wir hoffen natürlich, dass sich möglichst viele Menschen für diese Lösung entscheiden können. Dann würde uns ein riesiger Stein vom Herzen fallen. Aber wer das nicht kann oder will, dem werden wir natürlich den Warenwert der Karten unbürokratisch rückerstatten. Das sind wir unseren treuen Hörern schuldig!

Mal abgesehen von all diesen Dingen, die jetzt mit der Absage einher gehen: wie steht es um euer Gefühlsleben? Trifft Euch das hart oder seid Ihr auch ein Stück weit erleichtert, Stichwort „Damoklesschwert“?

Toby: Ich bin vor allem traurig. Genauso wie die Jungs in der Band. Wir hatten uns so viel vorgenommen für die Rockgigs. Vor allem wollten wir „Terror“ nochmal richtig am Stück mit bratenden Gitarren und dampfenden Kesseln promoten live. Seit das Album draußen ist, haben wir keinen einzigen Auftritt mehr gehabt. Das ist einfach nur deprimierend. Andererseits gehen die Kräfte in Corona-Zeiten schon merklich zur Neige.  Das sah 2019 noch ganz anders aus. Da waren wir voller Energie. Aber ich glaube, wenn wir erstmal mit der Band auf der Bühne gestanden hätten, wäre das wie weggeblasen gewesen bei mir.

RIG: Bei mir eher nicht. Ich glaube, die zusätzliche Organisation, die in der Pandemie nötig gewesen wäre, wenn die Rockkonzerte überhaupt hätten stattfinden können, hätte mich ausgelaugt, bevor ich die Bühne auch nur betreten hätte. Die Zeit auf der Bühne ist das, was ich vermisse. Aber noch bleibt ja die Hoffnung auf die Akustikshows.

Dann wünsche ich uns allen bessere Zeiten und drücke Euch die Daumen, dass möglichst viele Kartenbesitzer Euer Angebot annehmen werden und auf eine Rückerstattung verzichten können und dass wenigstens die Akustikkonzerte stattfinden können 2022.

Toby: Dein Wort in Gottes Ohr.

RIG: Es wäre so schön.

 

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