26 Mrz INTERVIEW: Was ist los? Sind JANUS tot?
Das letzte Mal, dass man etwas von JANUS gehört hatte, war Ende Mai 2006. JANUS hatten eine erfolgreiche Winterreise hinter sich gebracht und waren mit den Aufnahmen für ihr zweites Re-Release „Hunde deluxe“ beschäftigt. Seitdem sind Jahre ins Land gezogen, ohne dass auch nur das kleinste Lebenszeichen erfolgte. Bereiteten JANUS den nächsten großen Wurf vor oder hatten sie sich kommentarlos aufgelöst? Eine Frage die viele Fans umtrieb und auf die es nie eine offizielle Antwort gab.
Mittlerweile befürchtet wohl auch der letzte Janusjünger, dass er nie wieder von seiner ehemaligen Lieblingsband hören wird. Und genau da geschieht das Unerwartete. Haus und Hof Reporterin Diana Busch ist es Anfang Mai 2011 gelungen die beiden Koma-Patienten Toby und RIG in ihrem selbst gewählten Exil aufzuspüren und den beiden in einem ausführlichen Gespräch alles Wissenswerte zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von JANUS zu entlocken.
Es gibt keine Auftritte, im SHOP ist seit Ewigkeiten Inventur und die Webseite kündet auch seit Jahren nichts Neues an. Daher ohne Umschweife gleich die alles entscheidende Frage: sind JANUS tot?
Toby: JANUS tot? Das klingt so endgültig. Wir definieren doch nur den Begriff Pause neu! Schlafende Hunde sozusagen.
RIG: Wobei es sich hierbei um eine Art längerer Winterschlaf handelt.
Toby: Dann kannst du auch gleich Koma dazu sagen, so viele Winter wie der schon anhält.
Ihr weicht meiner Frage aus. Und da ich nicht gewillt bin, weitere fünf Jahre auf eine Antwort zu warten, stelle ich sie einfach nochmal: sind JANUS tot?
RIG: Gut, dann ganz ehrlich und aufrichtig: wir wissen es selbst nicht. Die Beantwortung dieser Frage schieben wir seit Jahren vor uns her. Das ist auch der Grund, weshalb wir uns bisher nicht zu Wort gemeldet hatten. Es gibt zu JANUS derzeit nichts Neues zu erzählen.
Toby: Zum Thema „Liebe“ sagte mal jemand, sie sei das was man tut, nicht das was man fühlt. Auf JANUS übertragen bedeutet das: wir könnten dir jetzt viel über unsere immer noch vorhandenen Pläne, Träume und Visionen erzählen, aber solange wir nichts tun, hat es keine Bedeutung.
RIG: Und Tatsache ist: wir machen aktuell keine Musik und haben auch in den vergangenen Jahren nur selten Musik gemacht.
Toby: Ich habe auch festgestellt, dass sich mein persönliches Verhältnis zu Musik geändert hat. Früher war das Schreiben von Liedern ein Ventil, um Gefühle zu verarbeiten. Später standen die Produktion und das Komponieren im Mittelpunkt; die Suche nach dem perfekten Lied. Heute bin ich in einem anderen Leben angekommen. Sich da spontan zu einer Studio-Session mit offenem Ende abzuseilen, ist nicht mehr so einfach möglich.
Mit anderen Worten: Ihr seid fette, faule Säcke geworden, die musikalisch nichts mehr auf die Reihe kriegen?
Toby (lacht): Das fasst es ganz gut zusammen, ja.
RIG: Ich würde widersprechen wollen. Das wir fett und faul sind hat uns ja auch in der Vergangenheit nicht davon abhalten können, Musik zu machen. Für mich ist der springende Punkt, dass ich momentan musikalisch nichts Neues zu sagen habe. Der Funke, aus dem sich früher Liedtexte oder Melodien entzündeten, sprang in den letzten Jahren nicht mehr auf mich über.
Toby: Bei mir ist es so, dass ich mich schon ab und an am Klavier klimpernd wieder finde. Meine Leidenschaft für die Musik gibt es noch. Aber sie muss sich meine Zuwendung heute viel stärker als früher mit anderen teilen.
RIG: Ich habe immer Bands bewundert, die es geschafft haben, im richtigen Moment aufzuhören. Vielleicht haben wir diesen Punkt bereits knapp verpasst. Wenn ich auf das bisherige Schaffen von JANUS zurückblicke, bin ich sehr stolz auf „Vater“, „Schlafende Hunde“ und „Auferstehung“. Sie stellen das Bestmögliche dar, das wir zum jeweiligen Zeitpunkt zu schaffen imstande waren. Bei „Nachtmahr“ bin mir da nicht so sicher. Produktion, Arrangements und Detailreichtum entsprechen nicht ganz dem, was Toby und ich ursprünglich im Sinn hatten. Dafür gibt es Gründe und es ist müssig mit dem Ergebnis zu hadern. Tatsache ist aber, dass es erste Album von JANUS ist, das ich in der Rückschau kritisch bewerte und ich möchte nicht, dass es ein weiteres JANUS Album gibt, über das ich so denke.
Toby: Das sehe ich ganz genauso. Wenn es also noch einmal ein neues Album von uns gibt, dann wird es genauso akribisch und pedantisch in jahrelanger Kleinarbeit umgesetzt, wie es für uns seit jeher typisch war. Es würde also auch im günstigsten Falle bis zum neuen Tonträger noch ewig dauern.
Also gut, mit neuen CDs ist vorerst nicht zu rechnen. Wird man denn wenigstens noch einmal die Möglichkeit haben, JANUS live zu sehen, sei es auf einer Festival-Bühne oder im Rahmen einer Winterreise?
Toby: Mein Verhältnis zu JANUS Auftritten ist in der Rückschau gespalten. Die beiden Winterreisen waren einfach nur klasse. Ich habe sie sehr genossen. Mit unseren letzten Rock-Auftritten war es umgekehrt. Da habe ich mich auf der Bühne nicht mehr pudelwohl gefühlt, es kam einfach nicht das „JANUS Feeling“ rüber. Das lag sicherlich am wenigsten an den sehr guten Musikern unserer Band. Aber von den ersten Proben bis hin zu den Auftritten war zu spüren, dass etwas Entscheidendes fehlte. Die Winterreisen empfand ich im Gegensatz dazu als packend. Leider ist es unwahrscheinlich, dass es in naher Zukunft eine dritte Winterreise geben wird, denn Auftritte sehe ich auf meiner persönlichen JANUS Prioritätenliste ganz unten.“
RIG: Dem kann ich nicht viel hinzufügen. Außer der Tatsache, dass Live-Auftritte für mich immer schon mehr Last denn Freude waren. Die Lieder und Texte von JANUS vor einem Livepublikum als Sänger zu durchleben, war sehr, sehr anstrengend für mich. Man darf nicht vergessen, dass wir keine Schauspieler sind und in den besten Momenten wirklich eins werden mit der Musik. Und mit JANUS-Liedern eins zu sein, ist emotional nicht immer eine einfache Sache. Auf der Bühne zu stehen ist ehrlich gesagt das, was ich am wenigsten vermisse, wenn ich an JANUS denke. Trotzdem schließe ich nicht aus, es eines Tages erneut zu tun.
Dass der Gedanke an Live-Auftritte für Euch so zwiespältig ist, wird Eure treue Hörerschaft wenig erfreuen, genau wie die ganzen anderen Hiobsbotschaften. Fühlt Ihr denn keine Verpflichtung den JANUS-Jüngern gegenüber?
Toby: Doch, diese Verpflichtung gibt es auf jeden Fall. Die Frage ist nur, ob es eine Verpflichtung zum Weitermachen oder eine zum Aufhören ist. Wir haben uns, wie RIG bereits erklärt hat, immer über Bands geärgert, die den Zeitpunkt verpasst haben, abzudanken und die sich in der Folge selbst demontiert haben. Die Verpflichtung, die ich sehe, ist der von unseren Hörern und von uns selbst erwarteten Qualität in Bezug auf Reife und Sorgfalt an ein JANUS Album gerecht zu werden. Wenn wir das nicht mehr garantieren können, sollten wir es lieber lassen.
RIG: Eine Verpflichtung gegenüber unseren Hörern sehe ich im Gegensatz zu Toby überhaupt nicht. Auch wenn Demutsgesten bestimmt sympathischer wären; so haben JANUS nie funktioniert. Wir hatten immer eine gesunde Distanz zu unserer Zuhörerschaft wie auch zur schwarzen Szene insgesamt. Ich denke, dass das ein ganz elementarer Bestandteil von JANUS ist. Man darf auch nicht vergessen, dass Toby und ich von 1992 bis 1998 gemeinsam Musik gemacht hatten, ohne ein einziges Mal ernsthaft an die Öffentlichkeit zu treten. Wir waren schlichtweg ausreichend beschäftigt mit uns selbst und unserer Musik.
Toby: Da hast du recht. Als wir mit JANUS angefangen haben, ging es nur darum, gemeinsam Musik zu machen. Dann kamen immer mehr „Administrivialitäten“ [sic] dazu: Verhandlungen mit Plattenfirmen, Interviews, Konzertplanungen, Bandaktivitäten, Proben, die Homepage und vor allem der SHOP. Wir waren z.B. nach der zweiten Winterreise 2006 noch sehr viel mit Janus beschäftigt, ohne das es was irgendetwas mit Musik machen zu tun gehabt hätte.
RIG: Wir hätten natürlich wie viele andere auch, diese Dinge abgeben und auslagern können, aber unser unbändiger Kontrollwahn hat dem immer eine klare Absage erteilt.
Und was wird nun aus den ganzen geplanten Veröffentlichungen? Werden wir überhaupt noch in den Genuss der Winterreise Live CD, der Schlafende Hunde Deluxe Ausgabe oder sogar eines neuen Albums kommen?
RIG: Tatsächlich liegt noch eine ganze Menge unveröffentlichtes Material vor, seien es die fertig gemischten Winterreise Liveaufnahmen oder einzelne Lieder wie „Neuroleptika“ oder „Mit leeren Händen“, für das wir 2006 sogar ein richtiges Orchester aufgenommen hatten. Wann dieses Material das Licht der Welt erblickt steht jedoch in den Sternen.
Toby: Es existiert ja bereits ein umfangreicher Plan für ein Pendant zur Vater Deluxe mit den Hunden. Es gibt Arbeitsskizzen, Absichtserklärungen und Konzepte. Spätestens mit ein, zwei Bier intus sind die Ideen gar nicht mehr zu bremsen. Dass wir aber derzeit intensiv daran arbeiten, wäre hochgestapelt.
RIG: Man könnte auch sagen, wir arbeiten gar nicht daran.
Toby: Ja, das könnte man. Aber das hört sich so deprimierend an.
RIG: Dann heben wir das Positive hervor: wenn wir uns sicher wären, dass JANUS nie wieder Musik machen, würden wir all die halbfertigen Lieder, Liveaufnahmen und Skizzen einfach so unter den letzten treuen JANUS Hörern verteilen. Da JANUS aber schon immer das Konzeptionelle, also die musikalische, textliche und visuelle Ausgestaltung der Lieder sehr am Herzen lag, ist das Zurückhalten der Werke ein Zeichen dafür, dass die Möglichkeit besteht, dass sie im würdigen Rahmen einer regulären Veröffentlichung eines Tages das Licht der Welt erblicken.
Toby: Eine schlüssige Argumentation!
RIG: Finde ich auch. Ich verspüre bereits einen klitzekleinen Aktivitätsschub!
Toby: Hochstapler! Bevor die Leute auf falsche Gedanken kommen, erzähle ich jetzt mal eine Anekdote. Als wir uns das letzte Mal im Studio getroffen hatten, waren wir uns nicht sicher, ob wir überhaupt noch etwas Nennenswertes zustande bringen können. Da war schon eine Menge Nervosität im Spiel. Nach ein paar mittelmäßigen Anläufen haben wir dann auch aus einem stark verfremdeten Orchestersample aus Mahlers Neunter eine sehr vielversprechende Skizze zusammengeklickt. Früher hätte uns das sofort in einen ekstatischen Schaffensprozess gesogen. Diesmal war es so, dass wir uns am nächsten Tag durchs Telefon gegenseitig zu der tollen Skizze beglückwünscht haben statt ins Studio zu gehen und einen geilen Song daraus zu schmieden. Wir haben ja nicht einmal einen neuen Termin gefunden, um daran weiterzuarbeiten. Wir sind derzeit einfach gedanklich und zeitlich noch in zu viele andere Sachen eingebunden, als dass sich der Janus Wahnsinn wieder frei entfalten könnte.
Dann ist es wohl auch sinnlos nach einer Wiedereröffnung des Knochenhaus SHOPs zu fragen.
RIG: In den letzten Jahren haben uns zahllose Mails erreicht, in denen eine Wiedereröffnung des SHOPs gefordert wurde. Wir haben auch sehr lange überlegt, ob wir diesem Wunsch nachkommen können, aber es ergäbe keinen Sinn. Von den alten Artikeln sind lediglich kleinste Restbestände übrig und neue Artikel gibt es keine. Zudem bedeutet der SHOP großen logistischen und organisatorischen Aufwand für uns, da wir dem Wahn unterliegen, alles selbst zu tun. Sollten wir also etwas Zeit für JANUS erübrigen können, wird die mit Sicherheit mit Studio verbracht und nicht mit dem Packen von Sendungen. Die Vorstellung, dass unsere Musik etwas Endliches hat, empfinde ich im Übrigen auch als sehr zu JANUS passend. In Zeiten von Musikdownloads und ITunes muten JANUS eh anachronistisch an. Die Vorstellung unsere Musik offiziell digital und nackig aus dem weltweiten Datenstrom herausziehen zu können wäre mit Sicherheit zeitgemäß, käme aus unserer Sicht aber eher einem Sakrileg gleich.
Zuletzt möchte ich euch bitten noch ein paar abschließende Worte an eure treusten Hörer und Janusjünger zu richten.
RIG: Zunächst einmal möchte ich mich bei allen treuen Websitebesuchern und Forenbewohnern dafür entschuldigen, dass so lange Zeit Funkstille herrschte. Bei allen, die darauf gehofft haben, dass nach langer Durststrecke endlich freudige Nachrichten von kommenden Großtaten verkündet werden, wird Enttäuschung herrschen. Leider macht es keinen Sinn, haltlose Versprechungen abzusondern. Es ist unwahrscheinlich, dass JANUS 2011 oder 2012 mit neuen Tonträgern oder Live-Auftritten von sich hören machen werden.
Toby: Um besonderes kranke Ideen zu verteidigen, oder auch nur um uns selber Mut zu machen, haben wir uns während der langen Nächte im Studio immer wieder versichert, dass es nicht um die Meinung der Hörer, sondern nur um unseren eigenen Geschmack, unsere Faszination bei JANUS geht. Das fühlt sich dann immer sehr salbungsvoll an, stimmt aber nicht ganz. Natürlich haben uns die vielen Reaktionen auf Konzerten, bei Treffen, in Briefen und insbesondere die unermüdlichen Foreneinträge einen unheimlichen Auftrieb gegeben. Diese Begeisterung hat JANUS, meiner Meinung nach, über viele Jahre entscheidend mitgeprägt. Und wenn ich all die ironischen, traurigen, lakonischen oder auch stocksauren Kommentare lese, die sich über das mittlerweile jahrelange Schweigen unsererseits beschweren, dann wird mir klar, dass JANUS weit mehr ist, als zwei übernächtigte Spinner in ihrem Studiokeller.
RIG: Amen.
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