Interview: Wir können es kaum erwarten!

24 Feb Interview: Wir können es kaum erwarten!

Diana Busch hat Toby und RIG, die beiden kreativen Köpfe hinter JANUS, in ihrer Einsiedlerhöhle aufgesucht und den beiden auf den Zahn gefühlt. Nach der selbst gewählten Stille 2018, hat RIG jüngst in einem Journaleintrag angedeutet, dass die Arbeiten an „All die Geister“ gut angelaufen wären. Aber was bedeutet das im Detail? Bewaffnet mit Kuli und Diktiergerät bittet Diana die beiden Eigenbrötler zum Appell. 

Sagt mal, ihr beiden, es ist schon eine ganze Weile her, seit wir uns zuletzt gesprochen hatten. Wie ist es euch denn 2018 ergangen? Wart ihr auch schön fleißig letztes Jahr?

Toby: Naja, teils teils. Ich brauchte vor allem ein Auszeit. Den Sommer über bin ich campend durch Südeuropa getingelt. Die Natur hilft mir immer, den Kopf frei zu bekommen. Ich bin auf Berge geklettert, wilde Bäche heruntergepaddelt und habe das Meer durchsegelt. Unterwegs zu sein, holt mich ins Jetzt zurück. Ich bin dann abgekoppelt von der Routine daheim, sehe neue Dinge und lasse mich inspirieren. All die Bilder und Erlebnisse hallen nach und bringen mich später im stillen Kämmerchen auf neue Ideen. Seitdem hat die Arbeit „All die Geister“ wieder rasant Fahrt aufgenommen.

RIG: Das kann ich nur bestätigen. Aktuell sind wir wieder mit Vollgas unterwegs. Bei mir war es allerdings weniger Abenteuerlust als Müdigkeit, was zur Pause geführt hat. Je mehr Aktionen, Auftritte und Projekte wir durchführen, desto höher wird die Arbeitslast neben der Musik an sich, da wir alles selbst organisieren und verantworten. Irgendwann erreiche ich dann immer den Punkt, an dem der Enthusiasmus in Erschöpfung umschlägt. Diesmal wollten wir frühzeitig auf die Warnsignale hören, um eine mehrjährige Pause wie 2007-2011 zu vermeiden. Das ist uns auch gelungen. Und wir haben den Rückzug aus allen Kanälen auch genutzt, um uns ausschließlich auf neue Stücke zu konzentrieren. Die Batterien haben sich auf diese Weise auch wieder aufgeladen. Wir sind mehr als nur motiviert.

Ihr macht in der Tat einen sehr enthusiastischen Eindruck. 

Toby: Auf jeden Fall! Musikalisch stecke ich wieder voller Tatendrang. Die Arbeit an den neuen Liedern pusht ungemein und ich habe mehr Ideen, als wir umsetzen können. Und der Zeitfaktor als Engpass wirkt sich spürbar positiv auf die Musik aus, da der Ausstoß an Liedern, Texten und Arrangements deutlich höher ausfällt als früher. Wir arbeiten fokussierter; die Produktivität ist wesentlich größer.

Erzähl doch mal im Detail, wie sich die Herangehensweise im Vergleich zu früher verändert hat. Ich finde das total spannend.

Toby: Gerne. Allerdings muss ich dazu etwas ausholen. Produktionstechnisch gesehen war „Ein Schwacher Trost“ nämlich eine Art Befreiungsschlag. Warum? Seit unseren allerersten musikalischen Gehversuchen Mitte der Neunziger hatten wir eine bestimmte Arbeitsweise. Mit Texten, die RIG vorbereitet hatte und Sounds oder Lied-Skizzen, die ich vorbereitet hatte, setzten wir uns zu zweit ins Studio und entwickelten in oft nächtelangen Sessions ohne speziellen Plan oft über zahllose Iterationen und Ausprobieren unsere Lieder. Insbesondere die Arrangements, Mixe und verschiedenen Versionen der Lieder fraßen endlos Zeit. Ich habe nie geglaubt, dass es dazu eine Alternative für uns gäbe, da auf diese Weise auch viele spezielle Lieder entstanden sind. Aber nachdem wir mit den ersten Songideen für „All die Geister“ begonnen hatten, wurde bald klar, das wir mit der bisherigen Arbeitsweise nicht richtig weiter kamen. Weder RIG noch ich hatten die Zeit und Lust uns für endlose ergebnisoffene Sessions monatelang ins Studio einzuschließen. Wir waren einfach zu alt geworden für den Scheiß. Es erschien uns auch zunehmend frustrierend und unproduktiv. Vielleicht war die Produktionsweise ja gar nicht so alternativlos und vorteilhaft, wie wir dachten?

Wir waren einfach zu alt geworden für den Scheiß.

RIG: Das stimmt. Während wir früher den gesamten Entstehungsprozess quasi heilig sprachen, erschien er uns nun nur noch demotivierend und aus der Zeit gefallen. Es war dann relativ schnell klar, dass wir so kein Album zustande bringen würden.

Toby: In der Folge brachen wir die Arbeit ab und versuchten den Kopf frei zu bekommen für einen neuen Ansatz. Praktisch um warm zu laufen, setzten uns mit einem Stapel Liedtexte, die RIG aus einer Schublade hervorgezaubert hatte, ans Klavier und komponierten drauflos. In kurzer Zeit schrieben wir ein Stück nach dem anderen. Es machte einfach einen Riesenspass. Was als Mischung aus Therapie und Fingerübung gedacht war, entwickelte sich dann schnell von neuen Livetiteln über eine MCD hin zum Album „Ein schwacher Trost“.

RIG: Wir fanden zunehmend Gefallen an unserer Selbstbeschränkung alle Lieder am Klavier zu komponieren und später auch „nur“ mit Orchester, Bandoneon und Flügel aufzunehmen. So kam es dazu, dass wir „All die Geister“ erste einmal zurückstellten und „Ein schwacher Trost“ ins Visier nahmen, um uns freizuschwimmen.

Toby: Statt dann aber alles alleine machen zu wollen, bezogen wir bei „Ein schwacher Trost“ ganz gezielt Freunde und Bekannte mit ein, von deren künstlerischer Integrität wir vollkommen überzeugt waren und die uns als Musiker verstanden, beispielsweise Dr. Alfred Huff als Tonmeister für die zentralen Klavieraufnahmen, Tilman als Komponist der Orchesterarrangements oder Emil, der schon „Ein Aufstand alter Männer“ betreut hatte, für den Mix und das Master. Aus einem schmerzhaften, langwierigen Prozess im stillen Kämmerlein wurde so ein intensiver aber sehr zielgerichteter Vorstoß an dessen Ende wir ein äußerst zufriedenstellendes Werk in unseren Händen hielten.

RIG: Wir waren uns sofort einig diese Produktionsweise auch für „All die Geister“ zur Anwendung zu bringen. Unsere bisherige Maxime, alles denkbare auszutesten und uns erst dann festzulegen, wich dem neuen Ansatz, nur dann Dinge zu ändern oder hinzuzufügen, wenn wir auch wirklich der Ansicht waren, dass etwas fehlte.

Toby: Klingt eigentlich ziemlich unspektakulär, hat aber eine große Wirkung. Wir sind jetzt mitten in der Produktion von „All die Geister“ und haben diesen arbeitsteiligen, struktuierteren  Produktionsprozess komplett übernommen. Das Ergebnis klingt gar nicht mal so anderes wie früher, das ist alles nach wie vor 100% JANUS, aber der Weg dorthin ist deutlich direkter und schneller.

RIG: Ich denke es ist auch eine Frage des Alters. Man wird erfahrener und klüger. Um mal die Fußballsprache zu bemühen: früher haben wir viele Sprints angezogen, heute haben wir das bessere Stellungsspiel.

Toby: Und das schlechtere Wortspiel. Ey, lass doch die Fußballvergleiche. Das will doch keiner hören.

RIG: Wenn wir uns drum scheren würden, was die Leute hören wollen, gäbe es kein JANUS.

Toby: Auch wahr. Aber Fußballvergleiche sind dennoch tabu.

Fußballvergleiche sind Tabu.

RIG: Sag wer?

Toby: Ich. Und jetzt Ruhe bitte, wir kommen vom Thema ab. Ich wollte doch noch was zur neuen Arbeitsweise erklären. Ich habe dabei hauptsächlich zwei Arbeitsplätze. Zu Hause am Klavier, um mit Fußballgott RIG …

RIG: Sehr witzig.

Toby: …. zusammen Ideen zu entwickeln und die musikalische Grundstruktur der Stücke festzulegen. Und dann noch an meinem Notebook, wo ich die Sessions in Logic anlege, den Aufbau der Kompositionen skizziere und an elektronischen Elementen, also Loops, Keyboards und Effekten herumbastle. Das kommt mir sehr entgegen, weil ich am MacBook jederzeit und überall alles machen kann. Sonntags mal eben zwei Stunden nach dem Frühstück, im Zug oder im Flugzeug, oder einfach abends noch mal 30 Minuten vor dem Einschlafen ein paar Ideen festhalten. Ich brauche dazu nichts außer Kopfhörern und einen vollen Akku. Die ganzen Skizzen, Samples und Sessions stehen dann per Dropbox allen Beteiligten zur Verfügung. RIG lädt Gesangsspuren hoch, oder mischt die ein oder andere Session neu , um seine Ideen einzubringen und von unseren Gitarristen kommen fette Gitarrenriffs, Tilman steuert seine inspirierenden Orchesterarrangements bei und Schritt für Schritt entsteht so ein fertiges JANUS-Lied.

Wenn du von Gitarrenriffs redest, muss ich an RIGs ersten Journaleintrag zu „All die Geister“ denken, in dem er ankündigte, das neue Album solle einen wie ein Vorschlaghammer treffen. Also erstmal kein Klavier und kein Orchester mehr, sehe ich das richtig?

RIG: Das siehst du falsch. Auf „All die Geister“ werden mit Sicherheit auch Orchesterpassagen und Klavier zu hören sein, es existiert keinerlei stilistische Beschränkung, auch keine im Vergleich zu „Ein schwacher Trost“ gegenteilige. Wahr ist aber, dass wir den Anteil rockiger, schwermetallischer und elektronischer Elemente im Vergleich zu unseren letzten Veröffentlichungen wieder massiv erhöht haben. Insofern sind wir grundsätzlich deutlich näher an „Auferstehung“ und „Vater“ als an „Nachtmahr“ oder „Ein schwacher Trost“. Das neue Album ist sehr dunkel und intensiv. Wir haben textlich und musikalisch sehr viel ausprobiert und Grenzen ausgelotet.

All die Geister wird das düsterste und härteste JANUS Album.

Toby: Ich glaube auch, es wird das düsterste und härteste JANUS Album werden, das wir je aufgenommen haben. Wir haben eine ziemlich klare Vorstellung davon, wie „Alle die Geister“ am Ende klingen soll. Das ist sicherlich auch eine Erfahrung aus dem Vorgängeralbum, in dem wir uns erstmals im Vorfeld auf eine Grundausrichtung, Themen und Emotionen festgelegt hatten, die im Mittelpunkt stehen sollen. RIG und ich haben viel Zeit darauf verwandt, ganz konkrete Vorstellungen zu entwickeln, wie das Album klingen soll, bevor wir die Geisterbeschwörung wieder aufgenommen haben.

Bei JANUS ist es ja nicht nur die Musik, die die Emotionen erzeugt, sondern auch die Texte und Bilder. Da ihr diese Dinge als Einheit betrachtet, habt ihr doch auch bestimmt schon exakte Pläne zum Artwork und den Texten. Könnt ihr da schon was verraten?

RIG: Das könnten wir, aber dann wäre ja der ganze Spaß dahin. Wobei wir nun schon so lange an Neuem werkeln, dass ich zugeben muss, dass ich mich auf den Tag freue, wenn der Vorhang fällt und wir über alles sprechen können.

Toby: Wir können es kaum erwarten!

RIG: Das stimmt. Wir sind schon ganz hibbelig. Allerdings wuchern die Arbeiten, wie bei uns üblich, hoffnungslos aus. Es kommen neue Stücke hinzu und bestehende Stücke durchlaufen Metamorphosen und wachsen und wachsen. Wir wissen aber ziemlich genau, wo wir am Ende herauskommen wollen und machen uns keinen übermäßigen Druck. Das Album wird daher auch noch weiter reifen und nicht 2019 veröffentlicht werden.

Das ist schade, aber war zu vermuten. Wann kommt es denn dann 2020?

RIG: Das hoffen wir. aktuell sieht es auch danach aus. Aber versprechen können wir es nicht.

Toby: Wenn deine Texte nicht immer länger werden würden, wären wir längst fertig. Alleine der eine neue Text hätte früher für ein komplettes Album gereicht.

RIG: Das ist zwar etwas übertrieben, aber ich sehe schon, was du meinst. Die ganzen Geistergeschichten entscheiden leider selbst, wie viele Worte sie benötigen, um erzählt zu werden. Ich bin ja nur das Medium.

Toby: Jetzt mal Spaß beiseite. Die Geschichten, die RIG diesmal in seinen Texten erzählt, sind diesmal besonders intensiv. Ich wundere mich ja immer, woher er die ganzen Inspirationen nimmt. Autobiografisches, ausgedachtes und angelesenes verschmelzen zu etwas Neuem, das einerseits sehr konkret ist, andererseits aber mehr Interpretationsspielraum zulässt, als bei früheren Produktionen. Wenn ich die Worte lese, kommen mir meist gleich passende musikalische Ideen dazu.

RIG: Das stimmt, seine Ideen passen stets wie die Faust aufs Auge.

So viel Harmonie. Werdet ihr langsam altersmilde?

Toby: Milde vielleicht, aber ich fühle mich überhaupt nicht alt. Es ist sogar eher so, dass ich das Gefühl habe, meine Ideen durch gewonnene Erfahrungen viel besser umsetzen zu können. Wie hieß das bei diesem Kräuterschnaps: „Nie war er so wertvoll wie heute“. Das einzige was stimmt ist, dass mir die Puste schneller ausgeht. Keine Ahnung wie ich die endlosen Nachtsessions von früher durchhalten konnte. Aber dafür kenne ich die ganzen Sackgassen besser und komme meistens viel schneller dahin, wo ich hin will.

RIG: Und wohin willst du jetzt?

Toby: Ins Bett ehrlich gesagt. Opi muss jetzt in die Heia.

RIG: Das klingt verlockend!

Dann beenden wir das Gespräch hiermit. Ich danke euch jedenfalls für die Einblicke und freue mich schon darauf, das neue Material irgendwann zu Ohren zu bekommen!

 

PHOTOS: Nuno Campos

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