13 Sep Rezension – Nachtmahr – Musik Terrorverlag
Dirk Riegert und Tobias Hahn haben wieder einmal zugeschlagen! Wobei das Album ein ganz sanftes geworden ist und vielleicht eben gerade deswegen bis ins Mark erschüttert Aber ich greife vorweg.
Menschliche Abgründe und Angstzustände haben sich JANUS zum Thema dieser Platte auserkoren. Situationen, die einem ungern widerfahren bzw. nicht widerfahren sollten. Alpträume, Böse-Nacht-Geschichten sozusagen, also Nacht-Mähren.
In einem Zyklus von insgesamt 11 Liedern widmen sich Riegert und Hahn diesem Thema von verschiedenen Seiten und Gesichtspunkten, ohne dabei irgendwann einmal klischeehaft zu wirken. Das Album ist im Grunde in zwei Teile unterteilt: der erste Teil handelt von Kriegs- und Nachkriegserfahrungen. Toll, wird sich der eine oder andere denken, noch so ne Platte zu dem Thema! Weit gefehlt, meine Damen und Herren, denn das hier ist anders!
Ein Hund, der sich hinlegt, wo er will handelt von einem alten sowjetischen Soldat a.D., der sich immer wieder an Dinge erinnern muss, die im Krieg passiert sind, z.B. ein fehlgeschlagener Hügelsturm. Mit Anita spielt Cello schließt sich ein Stück an, in dem die KZ-Problematik und Hoffnung (auf ein Überleben im Lager) ein Thema sind. Der darauf folgende Kinderkreuzzug ist an ein Gedicht Brechts angelehnt und handelt von einer Kinderschar, die als Überlebende des Krieges nach Frieden und Nahrung suchend durch die Lande ziehen. Seinen Abschluss findet der erste Teil mit Dorinas Bild, einem Stück über einen Kanonier, der versucht Hoffnung aus Liebe zu schöpfen.
Bei all diesen Liedern findet Dirk Riegert Worte, die seinesgleichen suchen, so intensiv, aufrichtig, und nahe gehend sind die Texte. Schon beim ersten Durchhören wird klar, dass die Tragweite des Ganzen unheimlich groß ist, und mit jedem weiteren Hören, wird das Bewusstsein über die Texte immer größer. Diese Songs sind Gänsehaut pur, da sie neben den überaus exzellenten Texten (ich halte Herrn Riegert für einen der besten Songschreiber der Szene) eine ebenso punktierte und überaus angemessene Musik darbieten.
Hier stimmt von vorne bis hinten alles. Mag der eine oder andere Hörer auch die harten und treibenden Parts des Vorgängers Auferstehung vermissen, so wird er bald merken, dass dies hier in keinster Weise angebracht wäre. Mit Kadaverstern findet sich auf diesem Silberling ein Coversong von HEINZ RUOLF KUNZE (ja genau, der mit Dein ist mein ganzes Herz), welcher von Hahn und Riegert ebenfalls in einer fabelhaften Weise adaptiert wurde. Viele wären beim Vorspielen dieses Liedes wahrscheinlich erstaunt, dass es kein Original ist, denn das hört man dem Stück nicht an. Zumal eben der sehr kritische Text von einem deutschen Songschreiber verfasst wurde, der eher durch Seicht-Pop in Erinnerung bleibt (sehr schade übrigens, denn Heinz Rudolf Kunze hat viele kritische Sachen geschrieben). Dieser Song bildet die Trennmauer zwischen dem ersten Teil der Platte und dem zweiten, etwas persönlicheren (vielleicht eher selbst nachvollziehbaren) Teil.
Nellie ist ein Stück über Missbrauch (in jeglicher Form) und stillschweigendem, stoischen Hinnehmen der Situation, ein Lied, mit dem JANUS lange schwanger gegangen sind und eigentlich schon für Auferstehung vorgesehen war, das es aber damals doch nicht mehr auf die Scheibe geschafft hat, da das Duo Riegert/ Hahn doch einen gewissen Hang zum Perfektionismus hat und die Version damals noch etwas unausgegoren fand.
Die letzen fünf Stücke Was uns zerbricht, Sag doch was, Grabenkrieg, Die Ruhe selbst, Das Gesicht behandeln das Thema der Zwischenmenschlichkeit in (meist gescheiterten) Beziehungen. Sie alle in ihre Einzelheiten aufzudröseln würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen (und zudem soll der geneigte Leser ja auch zum Kauf der Platte animiert werden).
Aber auch hier sind einmalige Texte, fast schon Perlen entstanden, die ihresgleichen suchen. Dirk Riegert versteht es einfach, tief in seinen seelischen Abgründen zu wühlen und diese zu Tage zu fördern. Das allerdings zusammen mit Tobias Hahn in diese Form zu bringen und wunderschöne Musik dazu zu komponieren zeugt von einer Meisterleistung, die gar nicht hoch genug eingestuft werden kann.
Selten ist mir eine Platte untergekommen, die so atmosphärisch dicht gestrickt ist wie JANUS Nachtmahr. Man möchte schreien, dass die Akteure doch endlich einmal ausbrechen sollen, sich mit brachialer Gewalt und vor Wut strotzenden Musikparts Luft zu machen… stattdessen erstickt man schier an der quälenden Ruhe des Albums und an der Dunkelheit, die aus den Boxen ins Zimmer kriecht!
In der Limited Edition von Nachtmahr liegt der Musik-CD noch ein Hörbuch/ Hörspiel mit Texten von Dirk Riegert bei, die von Reinhard Schulat in einer einzigartigen und unnachahmlichen Weise interpretiert werden, dass es eine wahre Freude ist. Treffenderweise ist jene CD mit Die Alpträume des Herrn Riegert betitelt und stellt einmal mehr unter Beweis, welche Wortgewalt in diesem Kopf steckt. Ein Wahnsinnskopfkino wird hier geliefert und bildet eine perfekte Ergänzung zum Album.
Was bleibt zu sagen? Diese Veröffentlichung gehört in jeden CD-Schrank. Hatte mich Auferstehung, das Vorgänger-Album schon begeistert, so bin ich nach Nachtmahr endgültig unter die JANUS -Jünger getreten. Für mich das beste Album im Jahre 2005!!! Unbedingter Anspieltipp ist Anita spielt Cello – dieses Stück ist der wahre Hammer!! Schon beim ersten Hören hatte ich Tränen in den Augen, so sehr treffen hier RIGs Worte.
Hiob für Musik Terrorverlag
Die Kommentarfunktion ist derzeit deaktiviert.