13 Sep Rezension – Nachtmahr – Orkus
Konnte man Auferstehung, JANUS letzte Veröffentlichung, noch mit der Maxime Leben und Leiden mit JANUS versehen, beschränkt sich der Nachfolger Nachtmahr auf das Leiden mit Janus.
Das Buchformat der Erstauflage weist die Richtung, denn neben dem Hören der elf Songs kann man sie im genial gestalteten Booklet überdies auch lesen, kann sie erleben und durchleiden. Sonderlich schwer ist das nicht, denn neben geschichtlich eingefärbten Songs, welche Schicksale beider Weltkriege zum Inhalt haben, wagen sich JANUS an das Thema Tierversuche und beenden das Album mit Liedern, die nur eine Frage zulassen: Ist das Leben, sind Beziehungen wirklich so traurig?
Mehr als bei allen Vorgängern beweisen sich die Beiden bei Nachtmahr als begnadete Lautmaler. Die bombastischen Arrangements in Dorinas Bild visualisieren den thematisierten Alpenkrieg ebenso perfekt, wie der unheilvolle Marschrhythmus den Grabenkrieg.
Nennenswerte Höhepunkte zu finden, ist nicht einfach, denn die klassisch und orchestral gehaltenen Tracks mit ihren elektronischen Versatzstücken spielen alle in der höchsten musikalischen Liga. Und doch sollte das fast ausschließlich von Tobys wunderbarem Pianospiel lebende, an Brecht angelehnte, todtraurige Kinderkreuzzug ebenso Erwähnung finden, wie das zurückgelehnte und fantastisch ironische Die Ruhe selbst, bei dem RIG ganz nebenbei noch die beste Gesangsleistung seiner Karriere abliefert.
Und dann Heinz-Rudolf Kunzes Kadaverstern: wenn JANUS hierbei quälend und überzeugend das Schicksal eines Versuchstieres intonieren, füllen sich selbst bei den überraschend jazzigen Tönen die Augen mit Tränen.
Mag man es für übertrieben halten, aber Nachtmahr kann man nicht nur hören, man kommt nicht umhin, es auch zu fühlen. Das Neue daran: JANUS kommen mit weniger Stilelementen und kürzeren Songs genau auf den Punkt. Auf den Punkt unter dem Ausrufezeichen hinter der Bestnote.
Die Erstauflage enthält neben dem regulären Album noch ein Hörbuch mit dem bezeichnenden Titel Die Alpträume des Herrn Riegert. Diese Scheibe offenbart RIGs dichterische Seite. Ohne die Worte in Liedform pressen zu müssen, lässt er Rainer Schulat hierbei seine Gedanken sprechen. Was als kleine Geschichte über die ewige Dualität zwischen Gut und Böse beginnt, steigert sich langsam in einen ausufernden, fiesen Monolog über den Reiz des Bösen (man mag ihn für den Teufel halten) und endet, inzwischen typisch für Janus, ironischerweise mit einem kleinen Gebet.
Lars Schubert für ORKUS
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